9ZÄ10 St. Pauli. Willkommen im Club.

Ein Schweizer küsst St. Pauli wach (Artikel von Felix Bingesser - SonntagsBlick vom 05.03.2023)

Fabian Hürzeler ist der jüngste Trainer im deutschen Profifussball. Und eilt mit dem 
FC St. Pauli in der 2. Bundesliga von Sieg zu Sieg. Wer ist dieser Mann? Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.

St. Pauli. Die Reeperbahn, der Kiez. Die sündige Rotlichtmeile von Deutschland.

Doch der legendäre Hamburger Stadtteil ist auch die Heimat des mystischen FC St. Pauli mit seiner einzigartigen Fankultur. Der Verein mit seiner linksalternativen Fanbasis übt weit über Hamburg hinaus eine grosse Anziehungskraft aus. Ein soziokultureller Schmelztiegel mit grosser Strahlkraft.

Wenn am Millerntor die Spieler zu den Glockenklängen von «Hells Bells» einmarschieren, dann wehen die Totenkopf-Fahnen im Wind. Und es flippen beim Kultsong von AC/DC nicht nur 30'000 Fans im Stadion aus. Elf Millionen Menschen in Deutschland hegen Sympathien für den Klub, der so wohltuend anders ist und der auch mit überschaubarem Budget immer wieder für sportliche Furore sorgt.

Wurzeln in Schaffhausen und USA

St. Pauli steigt auch im letzten Sommer mit Ambitionen in die Saison der 2. Bundesliga. Aber es läuft nicht, dem Klub droht nach der Vorrunde der Fall in die 3. Liga. Trainer Timo Schultz wird entlassen. Und einen Tag vor Weihnachten wird sein damals 29-jähriger Co-Trainer Fabian Hürzeler neuer Chef.

Hürzeler? Der Name tönt nicht nur nach Schweiz. Der jüngste Trainer im deutschen Profifussball hat tatsächlich auch einen Schweizer Pass. Sein Vater stammt aus Schaffhausen. Er ist Zahnarzt, wandert in die USA aus. Und gründet in Houston eine Familie. In Texas kommt auch Fabian auf die Welt und erhält damit automatisch die US-Staatsbürgerschaft.

Lehrjahre bei Mehmet Scholl

Die Familie zieht nach München, wo die Eltern immer noch eine Zahnarztpraxis haben. Fabian ist Junior bei den Bayern, schafft dann aber den Sprung ins Team des damaligen Bayern-Trainers Jupp Heynckes nicht. Er spielt unter Mehmet Scholl für die zweite Mannschaft. «Von ihm habe ich viel gelernt, es war eine inspirierende Zeit», sagt Hürzeler.

Nach einem Intermezzo bei der TSG Hoffenheim wird er mit 21 Jahren Spielertrainer beim fünftklassigen FC Pipinsried in seiner bayrischen Heimat. Er steigt auf, arbeitet parallel noch für den DFB und zieht 2020 nach Hamburg.

Er will kein zweiter Nagelsmann sein

Der Rest ist ein Märchen. St. Pauli gewinnt nach der Winterpause unter Hürzeler sechs Spiele in Serie. Ist er ein Laptop-Trainer? «Jeder Trainer hat einen Laptop», lacht er. Wird er bereits mit Julian Nagelsmann verglichen? «Zwangsläufig kommen solche Vergleiche. Aber von einem Nagelsmann bin ich noch meilenweit entfernt. Und jemanden kopieren, das geht nie gut.» Hürzeler, der Fussball-Enthusiast, will seinen Weg gehen. «Ich bin jung. Aber ich bin kein junger Trainer, weil ich schon neun Jahre Erfahrung in dieser Funktion habe.»

Hürzeler, der mit der Familie in Davos immer wieder zum Skifahren weilt und auch seine Tante in Schaffhausen öfters besucht, hat einen engen Bezug zur Schweiz.

Welches sind die drei kultigsten Fussballklubs in Deutschland? Vielleicht Union Berlin, 1860 München und der FC St. Pauli? Ihre Gemeinsamkeit? Ein Trainer mit Schweizer Pass. Urs Fischer, Maurizio Jacobacci, Fabian Hürzeler.  

FC St. Pauli, selbstgemacht (Bericht NZZ Sonntagszeitung - 06.12.2020 - reg.) 

Was tun, wenn man ein Kultverein ist und der offizielle Ausrüster auch die US-Armee beliefert? Sich selbst ausrüsten! Die Textilien der Marke DI!Y sind nachhaltig und werden unter fairen Bedingungen produziert. Am Kragen steht der Schriftzug: "Kein Fussball den Faschisten". St. Pauli wird ab der nächsten Saison mit dem Trikot spielen - für Fans wird es ab Mai 2021 erhältlich sein. Man hofft auf reissenden Absatz.

Weshalb der FC St. Pauli seine Trikots lieber selbst produziert 
(Bericht Tages-Anzeiger - 05.12.2020 - Nils Hänggi)

Der FC St. Pauli 1910 ist anders. Der Hamburger Kietzclub zeigt - im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen - politisch klare Kanten. Er setzt sich gegen Sexismus, Rassismus und Homophobie ein. St. Pauli liess im Stadion schon Obdachlose und Flüchtlinge übernachten.

Jetzt verfestigt sich der Eindruck des "anderen" Clubs noch mehr. Weil St. Pauli keinen geeigneten Ausrüster fand, produzieren die Hamburger ihre Trikots in Eigenregie. Der im Sommer auslaufende Vertrag mit dem aktuellen Hersteller Under Armour wurde nicht verlängert. Die US-Firma, die in den Vereinigten Staaten das Militär beliefert, ist vielen Fans ein Dorn im Auge. Für sie passt Under Armour nicht zu den pazifistischen Grundwerten des Vereins.

Kein Hersteller konnte die Vorgabe erfüllen
Und so schaute sich der Verein nach Alternative um. Aber kein Hersteller konnte die Vorgaben bezüglich Nachhaltigkeit, Transparenz und Fair Trade erfüllen. Also kam es es zum Entscheid, die Trikots selber produzieren zu lassen. "Diese Eigenständigkeit und die Suche nach neuen Wegen haben den FC St. Pauli schon immer ausgezeichnet", erklärt Präsident Oke Göttlich. Die hauseigene Marke werde den Namen DI!Y tragen. Der Name leite sich aus dem Begriff "DIY Do it your-self" ab. 

Was zum Verein passt, hat jedoch auch eine Schattenseite. So fehlt nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit Under Amour jährlich rund eine Million Euro. Wenn also nur wenige Fans das Shirt kaufen, entgeht den Hamburgern sehr viel Geld. An dieses Szenario mögen die Verantwortlichen nicht denken. Und müssen sie vielleicht auch nicht. Die Trikots gehen nämlich weg wie warme Weggli. Seit Dienstag kann man das Shirt für die kommende Saison ordern. Am ersten Tag gingen über 1000 Bestellungen ein, bis Weihnachten sollten es mehrere Zehntausende sein. Geliefert wird das Trikot dann im Mai 2021.

"Es wird die nachhaltigste Teamsport-Kollektion der Welt werden", sagt Bern von Geldern, der Pauli-Vertriebsleiter. Um das zu gewährleisten, arbeitet der Verein mit verschiedenen Zertifizierern zusammen. Auch kontrollierte er die Arbeitsbedingungen in der türkischen Textilfabrik, wo die Trikots hergestellt werden. Für die Türkei entschied sich der FC St. Pauli 1910 trotz der politischen Lage. Von Geldern erklärt: "Wir müssen die liberalen Kräfte in der Türkei unterstützen."

Deutsches Fussball-Talent spielt mit einem Arm gross auf
(Zeitungsbericht Blick, 28.12.2021 nab)

Tom Kankowski - FC St. Pauli 1910

Nichts Neues für Kankowski: «Es ist schon relativ brutal. Die sagen Sachen wie: Ich hacke dir deinen zweiten Arm ab.» Seine Antwort? Folgt auf dem Platz: «Wenn mich jemand blöd anmacht, dann dribble ich ihn halt mal aus und zeig ihm auf diese Weise, dass ich darüber stehe.»

«Geht nicht um seinen Arm, sondern um seine Qualität»
Seine Arbeit auf dem Platz bleibt nicht unbeobachtet. Bereits fünfmal durfte der Kicker für St. Paulis zweite Mannschaft auflaufen. Die Prothese ist dabei nur eine Randnotiz, wie sein Coach verrät: «Andere Trainer sprechen mich auf ihn an, weil er so gut ist. Da geht es nicht um seinen Arm, sondern um seine Qualität.»
Ob der Sprung in eine Profi-Mannschaft gelingen wird? «Er hat sicher Fähigkeiten, vor allem strategischer Art auf dem Platz, die ihn von anderen Spielern unterscheiden.» (nab)

Tom Kankowski muss sich wegen seinem Handicap auf dem Fussballplatz dumme Sprüche anhören. Der Spieler vom Nachwuchs des FC St. Pauli stopft den Idioten mit tollen Leistungen das Maul.

Auf den Mund gefallen ist Tom Kankowski (18) sicher nicht. Als er auf seine Prothese am rechten Arm angesprochen wird und wie sie ihn während des Fussballspielens behindert, meint der Deutsche gegenüber der «Bild am Sonntag» nur: «Sie beeinträchtig mich nicht wirklich. Letztendlich spielt man Fussball mit den Beinen.» Es kommt auch vor, dass er ohne die Prothese aufläuft.

Seit der Geburt fehlt dem Kicker die rechte Hand und der überwiegende Teil des Unterarms. «Man weiss nicht ganz genau, warum es so ist. Es ist nichts Genetisches.» Dieses Handicap hindert den Mittelfeldspieler aber nicht daran, gross aufzuspielen. In der A-Junioren-Bundesliga ist er in seiner Mannschaft ein Leistungsträger und Vize-Kapitän.

Übel beschimpft auf dem Platz
Sein Trainer schwärmt von ihm: «Tom ist menschlich ein überragender Typ, sehr reif für sein Alter. Er ist unheimlich ehrgeizig.» Solch nette Worte bekommt er auf dem Platz selten zu hören. Als «Krüppel» bezeichnete ihn neuerlich ein Gegenspieler.

Nichts Neues für Kankowski: «Es ist schon relativ brutal. Die sagen Sachen wie: Ich hacke dir deinen zweiten Arm ab.» Seine Antwort? Folgt auf dem Platz: «Wenn mich jemand blöd anmacht, dann dribble ich ihn halt mal aus und zeig ihm auf diese Weise, dass ich darüber stehe.»

«Geht nicht um seinen Arm, sondern um seine Qualität»
Seine Arbeit auf dem Platz bleibt nicht unbeobachtet. Bereits fünfmal durfte der Kicker für St. Paulis zweite Mannschaft auflaufen. Die Prothese ist dabei nur eine Randnotiz, wie sein Coach verrät: «Andere Trainer sprechen mich auf ihn an, weil er so gut ist. Da geht es nicht um seinen Arm, sondern um seine Qualität.»
Ob der Sprung in eine Profi-Mannschaft gelingen wird? «Er hat sicher Fähigkeiten, vor allem strategischer Art auf dem Platz, die ihn von anderen Spielern unterscheiden.» (nab)

Tor des Monats Serdal Celebi FC St. Pauli 

Serdal Celebi vom FC St. Pauli ist Torschütze des Monats August 2018. Er trifft am 25.08.18 im Finale der deutschen Blinden-Fußball-Bundesliga gegen den MTV Stuttgart in der 38. Minute zum 1:2.
Er hat es geschafft! Serdal Celebi (34) vom FC St. Pauli hat für die Zuschauer der ARD-Sportschau das „Tor des Monats" geschossen. Damit ist die Sensation perfekt. Erstmals hat sich ein Blindenfussballer die begehrte Auszeichnung schnappen können.

Das DFB-Pokal-Wunder des FC St. Pauli | Sportclub | NDR Doku

Diese Dokumentation über das Wunder des FC St. Pauli 1910 wurde am 9. April 2021 im NDR ausgestrahlt.